Sabrina Huber and Laura Wackers
Der Schutz von Privatheit wird spätestens seit Edward Snowden wieder vermehrt diskutiert: Beinahe überall scheint nun unsere Privatsphäre gefährdet. Nahezu außen vor bleiben die Menschen, die in ihrer konkreten Lebenssituation täglich massiven Eingriffen in ihre Privatsphäre ausgeliefert sind: Menschen mit Demenz, die auf Pflege angewiesen sind. Und dabei wird gerade dieses Thema angesichts der, uns alle betreffenden, Problematik einer alternden Gesellschaft und einem akutem, erschreckendem Pflegekräftemangel immer brisanter und zum großen politischen Problem.
Der Schutz von Privatheit wird spätestens seit Edward Snowden wieder vermehrt diskutiert: Beinahe überall scheint nun unsere Privatsphäre gefährdet. Egal ob wir uns im virtuellen oder analogen Raum bewegen, immer wähnen wir uns unter dem Blick eines »Großen Bruders«. Der Fokus der Debatten um Privatheit und deren Schutz liegt dabei auf den Auswirkungen von Technologien und menschlichem Miteinander für autonome Erwachsene, oder solche, die es noch werden wollen. Nahezu außen vor bleiben die Menschen, die in ihrer konkreten Lebenssituation täglich massiven Eingriffen in ihre Privatsphäre ausgeliefert sind: Menschen mit Demenz, die auf Pflege angewiesen sind. Und dabei wird gerade dieses Thema angesichts der, uns alle betreffenden, Problematik einer alternden Gesellschaft und einem akutem, erschreckendem Pflegekräftemangel immer brisanter und zum großen politischen Problem.
Sowohl in der familiären oder ambulanten Pflege zuhause als auch bei der Betreuung in Pflegeeinrichtungen wird die Privatheit der Patienten enorm eingeschränkt. Zwischen Fürsorge und Kontrolle stehen Aushandlungs- und Abwägungsprozesse zwischen Sicherheit, Gesundheit, Wohlergehen auf der einen und Privatheit auf der anderen Seite. Diese Aushandlungsprozesse gehen in der Praxis zumeist zulasten der Privatheit der Patient/innen, was nicht zuletzt daran liegt, dass Pflege immer effizienter werden soll. Foucaultsche Überwachung und Kontrolle sind – besonders in institutionellen Pflegesituationen – an der Tagesordnung, und die Strukturierung des Lebens nach Prinzipien der Handhab- und Planbarkeit führen zu Regelungen des alltäglichen Lebens, in denen Privatheit kaum noch eine Rolle spielt. Sei es der Zwang zu Gruppenaktivitäten oder dem Aufenthalt in Gruppen, die notwendige Aufgabe körperlicher Integrität bei Vorgängen wie Waschen und Körperpflege, oder der immer stärker werdende Rückgriff auf sogenannte Telecare-Technologien. Demenzkranke sehen sich besonders starken Eingriffen in ihre Privatsphäre ausgesetzt.
Der Workshop rückt vor diesem Hintergrund die spezifische Situation von Demenzkranken in ins Zentrum seiner Diskussionen. Wir planen dabei ein zweistufiges Modell, in dem wir ausgehend von der philosophischen Theorie Beate Rösslers zuerst gemeinsam mit allen Workshop-Teilnehmer/innen eine Definition und Merkmale von Privatheit erarbeiten. Anschließend wollen wir in einem zweiten Schritt gemeinsam auf literarische und filmische Inszenierungen von Demenz und Pflege sehen, und diese mit den erarbeiteten philosophischen Überlegungen diskutieren. Unser Blick richtet sich auf die literarische Umsetzung, Darstellung und Inszenierung des Problemkreises, um gemeinsam zu verstehen, auf welche Privatheitsverluste Literatur und Film hinweisen und wie diese Über- und Eingriffe literarisch erzählt werden. Literatur und Film haben das Potential Gegenwart in besonderer Weise wahrzunehmen, sie dürfen ihre Gegenstände überformen, unterlaufen, kritisieren, ironisieren oder verzerren. Umso genauer wollen wir im Workshop mit den Teilnehmern hinsehen: Wer spricht in den Texten eigentlich? Wessen Blick erhält der Leser? Was für Figuren und Motive werden entworfen und findet der Leser eine ein- oder mehrdeutige Darstellung?
Die Theorie von Beate Rössler eignet sich in besonderer Weise zur Analyse von Texten, weil sie Privatheit in drei Bereiche unterteilt – lokale, informationelle und dezisionale Privatheit. Damit lässt sich ein Großteil unserer alltagssprachlichen Verwendungen von „privat“ einfangen. Ihre Definition von Privatheit als Kontrolle über den Zugang zu sich selbst und den eigenen Entscheidungen und Informationen, erlaubt es zudem den Kontrollverlust, der mit dem Übergang in eine Pflegesituation eintritt, besonders hervorzuheben und zu kontextualisieren.
Unser Ziel ist es, mit den Workshopteilnehmer/innen ein besseres Verständnis für das Konzept der Privatheit zu entwickeln und den eigenen Blick für Übertretungen dieser zu schärfen. Vor allem wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Privatheit nicht nur in medialen Kontexten im Sinne von Datensätzen, sondern auch in alltäglich gelebten Situationen von enormer Bedeutung ist und es Menschen gibt, die qua ihrer Zugehörigkeit zu einer marginalisierten Gruppe, eines besonderen Schutzes bedürfen. Viele von uns werden irgendwann im Alter Pflege benötigen – ob Demenz oder nicht – und wir sind aufgerufen, diese Pflegesituationen mitzugestalten.