Mit neuen Verordnungen und Richtlinien wachsen in der Europäischen Union weitere Datentöpfe heran. Internetanbieter sollen außerdem Inhalte entfernen und Telekommunikationsdaten auf Verlangen herausgeben. Auch der Kreis der Zugriffsberechtigten wird deutlich erweitert. Ganz legal könnten sogar US-Behörden bald in Europa Abhören dürfen.
Unter dem Stichwort „Interoperabilität“ vernetzt die Europäische Union ihre großen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres. Der Beschluss fiel bereits, nun steht die Umsetzung an. Fingerabdrücke und Gesichtsbilder werden in einem „gemeinsamen Identitätsspeicher“ abgelegt und mit einem „Europäischen Suchportal“ prozessiert. Mit dem Projekt wird der polizeiliche Datenverkehr drastisch steigen, allein Europol rechnet mit 100.000 täglichen Abfragen seiner Dateien.
Im Herbst, wenn sich das neue Parlament konstituiert hat, will die EU außerdem den Zugriff auf elektronische Beweismittel auf drei Wegen vereinfachen. Die „E-Evidence“-Verordnung“ soll die polizeiliche Abfrage von Daten bei Internetfirmen in anderen EU-Staaten unter Androhung hoher Bußgelder drastisch erleichtern. Für Firmen mit Sitz in den USA plant die EU-Kommission ein Durchführungsabkommen im Rahmen des „CLOUD Act“, den die US-Regierung erlassen hat. Dann können auch US-Behörden Daten von Sozialen Netzwerken oder Messengern in Europa abfragen, möglich wäre sogar das Abhören in Echtzeit. Zusätzlich verhandelt auch der Europarat über die schnelle Herausgabe elektronischer Beweismittel. Die „Budapest-Konvention“ zur Kooperation bei Computerstraftaten soll um eine „Sicherungsanordnung“ erweitert werden.
Ebenfalls auf der Tagesordnung stehen die weiteren Verhandlungen für eine Verordnung zur „Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“. Hierzu sollen die Strafverfolgungsbehörden Anordnungen erlassen, denen innerhalb einer Stunde entsprochen werden muss. Die Firmen sollen außerdem Uploadfilter („automatisierte Werkzeuge“ gegen erneutes Hochladen) installieren. Auch das BKA beteiligt sich an den Vorbereitungen mit einer „nationalen Meldestelle“, die seit ihrem kurzen Bestehen bereits 6.000 Meldungen zur Entfernung von Inhalten verschickt hat.
Schließlich arbeitet die EU an einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten. Im Juni haben die Innenminister hierzu Schlussfolgerungen erlassen, die den Fahrplan vorgeben. Zwar ist die Rede von einer „beschränkten“ Vorratsdatenspeicherung. Tatsächlich wollen die Polizeien und Geheimdienste aber nur auf wenige Informationen verzichten, darunter die Länge genutzter Antennen, die Verbindungsqualität oder die Zahl der Klingeltöne des genutzten Telefons. Auch Berufsgeheimnisträger werden anlasslos überwacht, außer sie stellen einen Antrag auf Befreiung.
Längst beschlossen und umgesetzt ist die EU-Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten. Airlines, Reisebüros und andere Reiseanbieter müssen vor jedem internationalen Flug „Passenger Name Records“ (PNR) an die zuständige Fluggastdatenzentralstelle übermitteln. Allein in Deutschland werden in den nächsten Monaten 500 neue Stellen bei BKA, Bundespolizei, Zoll und Verwaltungsamt besetzt. Diese ufer- und anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist ein gutes schlechtes Beispiel, weshalb den noch zu beschließenden EU-Vorhaben entschlossen entgegengetreten werden muss.