Thomas Liebkose, Philipp Breitenbach and Peter Breitenbach
Wir machen Sound Grafitti mit Echokammern, produzieren Protest-Jingles und Sprachwerkstätten. Mit diesem Beitrag möchten wir euch zwei Vorgehensweisen zu dieser Art von „Protest mit Sound als Audio Intervention" vorstellen, sowie die künstlerischen, kreativ-technischen Prozesse näher bringen und euch einladen, diese kritisch zu beäugen und zu hören, sich unserer Ideen und Verfahren zu ermächtigen und die dargestellten Formen und Ansätze nach eurem Belieben weiterzuentwickeln und anderweitig zu verwenden. Wir glauben an die Wirksamkeit von Vielfalt von Protest und sehen diesen als wichtiges Element demokratischer Meinungsbildung und um für politische Rechte zu kämpfen und gegen Diskriminierung mobil zu machen (sprich im kleinsten gemeinsamen Nenner: #fightnazis, #afdwegbassen und #saytheirnames).
„Sound Grafitti" und „Protest-Jingles" beherbergen disruptives Potenzial und können als Audio-Interventionen bestehende Diskurse in öffentlichen und digitalen Räumen aufbrechen / bereichen. Zum einen, indem überhaupt einmal bestimmte Meinungen / Äußerungen anderen außerhalb der eigenen „Bubbles" und Räume zugänglich gemacht werden, zum anderen, um kollektiv verfasste Äußerungen in Konfrontation mit Menschen zu bringen, um auf Probleme zu verweisen, solidarische Anliegen vorzubringen und Handlungsvorschläge (für Protest-Vorhaben) anzubieten.
„Echokammern" sind Open Source DIY-Lautsprecher für Audio-Interventionen, nutzbar für Sound-Graffiti im öffentlichen Raum. Als Basis nutzen wir Baustellenlampen, die wir zu mobilen Lautsprechern umfunktionieren. Durch einen Hack werden die allgegenwärtigen Baustellenlampen zu Mitteln der Kommunikation und Irritation im öffentlichen Raum. Ein Objekt, das uns aufmerksam macht und auf Gefahren hinweist, wird manipuliert und zur Echokammer gesellschaftlich relevanter Anliegen und Probleme. Ausgangspunkt für dieses Projekt war der rassistische Terroranschlag in Hanau im Jahr 2020, bei dem neun Menschen von einem rechtsradikalen Terroristen getötet wurden. In einer Zeit, in der es aufgrund der Pandemie und damit verbundener Regelungen nur eingeschränkt möglich war gemeinsam zu gedenken, zu protestieren und zu trauern, haben wir nach Möglichkeiten gesucht, die Forderung "SAY THEIR NAMES" auf die Straße zu bringen. So entstand ein Werkzeug, das seither für verschiedene politische Kämpfe und Themen genutzt wurde. So bespielten die Lautsprecher zuletzt in diesem Jahr die Straßen Berlins zum Protest gegen den Weiter-Bau der Autobahn A100.
Protest-Jingles sind Audio-Beiträge zu Protestvorhaben, die diese ankündigen, flankieren, erklären und in denen Themen und damit verbundene Anliegen verhandelt werden und zur Teilnahme aufgerufen wird. 2018 hat Reclaim Club Culture damit erstmals mit eigens dafür produzierten Jingles zu einem Groß-Protest gegen Nazis unter dem Motto #afdwegbassen aufgerufen, um mit diesen die Mobilisierung (z.B. abgespielt durch DJs in Clubs, zum Teilen über Social Media, zum Versenden an Redaktionen und Journalistinnen) zu dem Protest zu unterstützen sowie um während des Protestes den Aufruf als Meinungsäußerung von Lautsprecher-Wägen abzuspielen zu können.
Sprachwerkstätten als Variation dessen sind mit Protest-Jingles in der Hinsicht artverwandt, als dass sie Versuche darstellen, Meinungen von Menschen zu bestimmten Themen einzuholen und künstlerisch kuratiert als Audio-Collage darzustellen und anderen zugänglich zu machen. Sie machen ein Angebot zum Reflektieren und Partizipieren, welches keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Wahrheit hat und immer nur eine Auswahl darstellt.
Die Ergebnisse der vergangenen fünf Jahre stehen für sich und werden in diesem Beitrag in einer Auswahl auch performt.